Das höchste Gut in unserem Land ist die Demokratie
Seit gut 100 Tagen bin ich nun wieder in meiner Heimat. Das letzte an was ich seit meiner Rückkehr gedacht hätte, wäre auf eine Demo zu gehen/zu fahren. Am vergangenen Samstag war ich dann zum ersten mal in meinem Leben auf einer. Generelle Fahrverbote an Wochenenden/Feiertagen für Motorradfahrer? Frei nach Obelix: „Die spinnen, die Politiker!“
Spontan beschloss ich mit Freunden, nach München zu fahren und gegen diese pauschale Verurteilung / Diskriminierung Flagge zu zeigen. Logisch kann ich Anwohner an bestimmten, hoch frequentierten Strecken verstehen, die sich über Lärm beschweren. Leider gibt es auch unter uns Motorradfahrern „schwarze Schafe“, die mit unzulässigen Abgasanlagen und nicht angepasster Fahrweise übermäßigen Lärm verursachen. Gegen die muss meiner Meinung nach auch konsequent vorgegangen werden. Aber pauschal auch den großen und vernünftigen Rest grundsätzlich auszusperren geht gar nicht!
Was ist denn mit den ganzen Krawallbrüdern in ihren AMG/M/RS/Ferrari/Porsche usw? Wird wegen denen angedacht das Autofahren an Wochenenden zu verbieten?
Oder werden Fußballspiele verboten, nur weil immer wieder rivalisierende und randalierende Flachpfeifen durch Innenstädte ziehen oder ganze Zugabteile zerlegen?
Oder Demonstrationen grundsätzlich verboten, weil beispielsweise am ersten Mai Chaoten in Berlin für bürgerkriegsähnliche Zustände sorgen?
NEIN, und das ist auch gut so. Die Freiheit sich zu bewegen, zu entfalten und seine Meinung zu äußern sind unbezahlbare Grundrechte.
In vielen Ländern die ich im vergangenen Jahr bereist habe meist keine Selbstverständlichkeit und gerade deswegen für mich das höchste Gut in unserer Demokratie. Natürlich hört die Freiheit des Einzelnen dort auf, wo andere in Ihrer Freiheit eingeschränkt werden. Deswegen muss an die Vernunft jedes einzelnen appelliert werden und gegen die schwarzen Schafe gezielt vorgegangen werden!
Auf dem Mittleren Ring in München war jedenfalls Gänsehaut-Feeling. Laut Pressemitteilungen rund 10.000 Biker aller Couleur, von Alt bis Jung, von Aprilia bis Zero, von Chopper bis Reiseenduro die von unzähligen Zuschauern und größtenteils entspannten Autofahrern mit Daumen hoch und Beifall in ihrem Tun bestätigt wurden und Verständnis zeigten. Und das kurzfristige (undemokratische?) Verbot durch den KVR in München hat eher eine „Jetzt erst recht!“-Reaktion ausgelöst … #wewanttobreakfree
Und noch was kannte ich bisher kaum: Denunzianten.
Klar gab es auch früher schon immer Petzen, die sich vor allem wichtig machen wollten nach dem Motto: “Her Lehrer, Herr Lehrer ich weiß was …!” Aber das was ich die letzten Monate gehört und mitbekommen habe, lässt mich schier vom Glauben abfallen. Da wurden Nachbarn angezeigt, weil Kinder Ihre Eltern besuchten, eine haushaltsfremde Person auf der Terrasse saß oder weil jemand an seinen Geburtstag doch tatsächlich ein/zwei Gäste zu viel hatte. Oder ganz aktuell in Nördlingen ein anonymer Anrufer die Polizei informiert hat, dass bei einem Autokino-Event in Nördlingen Traktoren mit landwirtschaftlichen Kennzeichen teilnehmen wollen, was aber nicht erlaubt sei … Ja geht’s noch? In was für einer Zeit leben wir denn? Haben wir nichts Besseres zu tun, haben wir keine wichtigeren Probleme zu lösen als Nachbarn anzuzeigen oder harmlose Veranstaltungen zu sprengen? Denunzianten bedrohen unsere Freiheit sich zu bewegen, zu entfalten und seine Meinung zu äußern … wehret den Anfängen!
Armin Thalhofer | www.armin-thalhofer.de | 7. Juli 2020