Fahrverbote für Motorräder an Sonn- und Feiertagen?
Absolut beSCHEUERt!
In der Motorrad-Community herrscht Aufruhr: Erst Fahrverbote wegen Corona und als ob das nicht schon genug ist, will uns Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer klammheimlich das Motorradfahren an Sonn- und Feiertagen verbieten! Zu laut, zu roh, zu störend. So die Argumente. So weit so gut? Natürlich nicht! Aber was passiert da eigentlich gerade? Schauen wir mal genauer hin.
Am 15.05.2020 stand in einer Beschlussvorlage des Bundesrates (Drucksache 125/20) mit dem unerhörten Titel „Entschließung des Bundesrates zur wirksamen Minderung und Kontrolle von Motorradlärm“ unter anderem folgender Satz:
„Der Bundesrat sieht dringenden Handlungsbedarf, für besondere Konfliktfälle
Geschwindigkeitsbeschränkungen und zeitlich beschränkte Verkehrsverbote an Sonn- und Feiertagen aus Gründen des Lärmschutzes zu ermöglichen.“
Quelle: www.bundesrat.de
Schon beim Titel des Dokuments dürfte jedem Zweiradenthusiasten der Blutdruck ins Nirwana geschossen sein. Gefolgt von Herzstillstand beim Wort „Verkehrsverbote“. Kaum war die Beschlussvorlage veröffentlicht wurden die Sozialen Medien bereits mit der Horrormeldung geflutet. Eine Petition wurde gestartet, Facebook-Profilbilder mit dem Statement „Gegen Fahrverbote für Motorräder an Sonn- und Feiertagen“ geschmückt und bundesweit zu Demos aufgerufen. Was läuft da für ein Film? Muss man jetzt schon als Motorradfahrer politisch aktiv werden? Könnte man fragen.
Tatsache ist, dass wir auch als Motorradfahrer teil einer Gesellschaft sind, in der nunmal viele verschiedene Bedürfnisse konkurrieren: zum Beispiel das Bedürfnis nach Adrenalin, Spaß und – ja! – auch mal Lärm. Und eben das Bedürfnis nach Entspannung von der Arbeit, nach Sicherheit im Straßenverkehr oder das Bedürfnis, sich auch mal über den anderen Aufregen zu dürfen.
Völlig klar ist auch, dass Motorradfahren nicht ohne Motorengeräusch vonstatten gehen kann. Und wer steht nicht drauf, wenn die eigene Maschine unterm Arsch so richtig schön röhrt und vibriert? Müssten wir auf Elektromotorräder umsteigen, die meisten von uns würden dieses Hobby wohl an den Nagel hängen. Aber zurück zu dem Punkt, dass wir nunmal Teil einer Gesellschaft sind, in der verschiedene Bedürfnisse und Vorlieben herrschen. Wir können schlecht erwarten, dass die Dezibel die wir absondern, überall auf glückliche Ohren stoßen. Oder dass Anwohner, Fußgänger und Cafébesucher drauf stehen, wenn ein ohnehin schon heißgelaufener Motor an der roten Ampel unablässig und ohne Grund hochgedreht wird und es einfach nicht grün werden will.
Motorräder fallen immer stärker auf als Autos
Motorräder werden immer stärker auffallen als Autos, allein schon deshalb weil es nicht „normal“ ist, Motorrad zu fahren wie es eben „normal“ ist, Auto zu fahren. Dazu kommt, dass im Frühjahr die Zahl der Motorräder schlagartig von annähernd Null auf „die sind überall“ nach oben schnellt. Medienwirksam werden dann in jedem noch so kleinen Dorfanzeiger sämtliche Motorradunfälle seziert, der sich irgendwo in der Republik zugetragen haben. Dass bei „Motorrad-Kollisionen mit Pkw in mehr als zwei Dritteln aller Fälle die Pkw-Fahrer die Hauptschuld tragen, weil sie oft die Geschwindigkeit der Motorräder falsch einschätzen oder sie völlig übersehen“ (Quelle: www.adac.de), steht leider so gut wie nie dabei.
Wir müssen uns als Motorradfahrer bewusst sein, dass wir außerhalb unserer Community nicht unbedingt als die Sonnenscheine der Nation gelten, ob das gerechtfertigt ist oder nicht. Spielt aber auch keine Rolle denn die Verantwortung, die wir als gesellschaftliches Individuum haben, gebietet eigentlich schon Rücksicht auf andere zu nehmen wo man kann: bricht uns ein Zacken aus der Krone, wenn wir nicht mit heulendem Motor in eine Ortschaft rasen, mit wilden Überholmanövern durch die Kolonnen betagter Sonntagsfahrer schneiden oder auf einen Klappenauspuff verzichten, wenn schon der Originalsound einem das Trommelfell angenehm massiert?
Leider ist in vielen Lebensbereichen, und keineswegs nur bei Motorradfahrern! zu beobachten, dass die Befriedigung persönlicher Bedürfnisse von einzelnen Menschen immer rücksichtsloser eingefordert wird. Und da wir eben naturgemäß schon mehr auffallen als Autos, darf man sich nicht allzu sehr wundern, wenn in der Folge solch hirnrissige Vorschläge wie Fahrverbote auf den Tisch kommen.
Doch kann es angehen, dass aufgrund der Dummheit Einzelner eine ganze Gruppe, noch dazu ziemlich willkürlich, bestraft wird? Man lasse sich außerdem auf der Zunge zergehen, dass derselbe Bundesverkehrsminister, der uns Motorradfahrern Fahrverbote erteilen will, die erst kürzlich in Kraft getretenen Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) wieder abmildern wollte. Auto-Raser sollten nach dem Willen Scheuers also weiterhin freie Fahrt haben und wir Motorradfahrer am Sonntag daheim bleiben? Geht´s noch?
Aber bleiben wir beim Thema.
Im Fall der Fahrverbote für Motorradfahrer an Sonn- und Feiertagen fragen wir Herrn Scheuer:
Die große Mehrzahl der Motorradfahrer ist absolut regelkonform unterwegs. Deshalb wollen und dürfen wir uns nicht von der plumpen Symbolpolitik eines einfallslosen Verkehrsministeriums kriminalisieren lassen!
Deshalb fragen wir Herrn Scheuer:
- Warum soll pauschal eine Gruppe für die Fehltritte Einzelner bestraft werden, wenn diese Gruppe ohnehin nur einen geringen Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen ausmacht und lediglich saisonal unterwegs ist? Und von der die meisten Gruppenmitglieder völlig legal und unauffällig unterwegs sind?
- Wenn schon Fahrverbote, warum werden nicht Autos und Motorräder gleich behandelt? Denn auch unsere vierrädrigen Kollegen bekleckern sich nicht mit Ruhm wenn es um Tuning, Geschwindigkeitsüberschreitungen und Lärmbelästigung geht, zumal sie uns zahlenmäßig deutlich überlegen sind. Ganz zu schweigen von anderweitigen Lärmquellen wie Düsenjets, Baustellen, Straßenbahnen und und und.
- Wenn schon Sanktionen, warum nicht konkrete Verstöße ahnden und zwar mit Strafen, die auch zur Einhaltung der Regeln motivieren. (Und wer jetzt als Motorradfahrer jammert: Die Tempolimits in Deutschland gehören zu den motorradfreundlichsten weltweit. Sich darüber zu beschweren, dass sie eingehalten werden sollen, ist echt Kindergarten.)
- Warum nicht Gesetze nachbessern, damit Auspuffanlagen die ohnehin illegal sind, nicht doch in den Straßenverkehr gelangen?
Und an uns Motorradfahrer: Warum nicht etwas mehr Rücksicht nehmen auf diejenigen, mit denen wir uns die Straße und den Planeten teilen?
Noch ist nichts beschlossen
Um euren Puls etwas zu beruhigen: noch ist nichts beschlossen. Erst muss die Bundesregierung entscheiden, ob und wann sie die Anregung des Bundesrates umsetzen will. Feste Fristen gibt es hierfür nicht.
Wir appellieren auch an euch
Leider ist es zur Mode geworden, in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen mit Feindbildern und plumper Polemik zu arbeiten, statt genau hinzuschauen und zu differenzieren: die Jugendlichen, die Migranten, die Motorradfahrer….. Und dann alles schön in schwarzweiß gemalt, alle in einen Topf. Das passiert gerade eben auch mit uns Motorradfahrern. Fühlt sich scheiße an, ist aber so.
Wir sagen deshalb:
#wewanttobreakfree from #schwarzweißdenken
#wewanttobreakfree from #vorurteile
#wewanttobreakfree from #feindbilder
#wewanttobreakfree from #motorradfahrerbashing
#wewanttobreakfree from #bikeshaming
#wewanttobreakfree from #willkür
#wewanttobreakfree from #ungerechtigkeit
#wewanttobreakfree from #scheuersverkehrspolitik
Was ihr tun könnt?
- Steht zu eurem Hobby und eurer Leidenschaft! Aber versetzt euch auch in andere Verkehrsteilnehmer hinein: wie würdet ihr euch fühlen wenn, ihr die andere Person wärt?
- Seid laut und wild, aber auch höflich und rücksichtsvoll! Denn Freiheit ist immer auch die Freiheit der anderen!
- Behandelt andere wie ihr auch behandelt werden wollt, ob im Straßenverkehr oder im Gespräch!
- Sucht den Dialog, teilt nicht jeden Mist, pöbelt nicht mit Sprüchen von denen ihr nicht wisst wer sie in Umlauf gebracht hat!
- Lasst euch nicht alles gefallen aber vergesst nicht, dass wir in einer Demokratie leben in der jeder Mensch Bedürfnisse hat!
Und vor allem: werdet Teil unserer Community #wewanttobreakfree
Pia Motorella | www.motorella.art | 29. Mai 2020