Auf die Moppeds, fertig, los!
Mensch, was hab’ ich mich darauf gefreut! Endlich wieder eine Motorradtour über die Landesgrenze hinaus. Endlich wieder auf’s Zweirad steigen und fahren, fahren, fahren …
Denn was die letzten Jahre für uns “normal” war, ist in diesem “etwas Besonderes”. Aber reden wir einfach nicht davon, dass man 2020 —vor allem Motorrad-Urlaub-technisch— am liebsten in die Tonne treten möchte.
Stefan | Olli | ich | Phips | Alfredo | Claus | Pia | Marcus
Der Plan zum Trip nach Österreich an den Mondsee wurde im vergangenen Jahr bereits beschlossen und vor rund 6 Wochen gefixed. Ein guter Freund meines Mannes betreibt dort, zusätzlich zu seinem Hauptjob, gemeinsam mit seinem Vater eine Gaststätte mit Fremdenzimmervermietung und so war klar, dass wir zumindest ein Wochenende bei ihm verbringen würden.
Mitfahrer aus dem Freundeskreis waren auch schnell gefunden und so hieß es am 10. Juli “Auf die Moppeds, fertig, los!”
Start-Treffpunkt war unser Wohnort bei Kaufbeuren im Allgäu. Pia und Markus, aus Biberbach bei Augsburg kommend, Claus aus Waal und Phips, der nur ein paar Straßen weiter wohnt, fanden sich zum vereinbarten Zeitpunkt bei uns ein. Noch einen Schluck Kaffee, eine letzte Zigarette und dann schwangen wir uns am späten Vormittag auf die Maschinen.
Der erste Halt war für Miesbach geplant. Dort hatten wir uns mit Stefan, einem weiteren Tourmitglied und Club-Spezl meines Mannes, verabredet.
Die Route nach Miesbach führte uns durch den Sachsenrieder Forst über Schongau und Bad Tölz. (Diese Strecke könnten wir mittlerweile mit verbundenen Augen bewältigen, ist sie doch “unter normalen Umständen” ein Teil unserer sonst jährlichen Fahrt zu einem Rock’n’Roll-Event nahe Udine. Aber das Thema “2020” hatten wir ja bereits …)
Stefan erwartete uns schon an der vereinbarten Tankstelle und nach unserer alten Manier “Jetzt rauch’mer erst noch eine” und dem ein oder anderen Kaltgetränk ging es weiter.
Die bunt gemischte Motorradgruppe bestand aus den unterschiedlichsten Typen und Baujahren: Pia war auf ihrer Honda Clubman aus dem Jahr ’89 unterwegs, ihr Freund Marcus auf seinem BMW R100 -Umbau von 1981. Phips trat die Tour auf seiner Yamaha XS 850 mit dem BJ ’79 an und Stefans Triumph TR6, BJ ’71, wurde für das Wochenende auch mal wieder auf längerer Fahrt bewegt. Mein Mann Olli entschied sich für seine BMW R75/5 aus dem Jahr 1973 und ich war mit DER Gefährt (wie ich mein Reisemopped liebevoll nenne), einer Kawasaki W650 von 1999 unterwegs. Claus hingegen wollte die Tour wohl gemütlicher angehen und disponierte kurz vor Fahrtantritt nochmal um: so war er auf seiner IZH 49, einer russischen DKW aus dem Jahre 1956 mit ganzen 11 PS unterwegs. Seine Endgeschwindigkeit von knapp 90 km/h war zum (mehr als gemütlichen) Cruisen zwar nicht allzu dramatisch — Überholvorgänge waren damit aber durchweg unmöglich und so erhielt er für das Wochenende den liebevoll gemeinten Spitznamen “Bremsklotz”.
Die Fahrt ist das Ziel.
Wir haben schon viele und auch (für uns) lange Touren bewältigt — egal ob nach England oder Italien. Und unser Motto ist und bleibt: die Fahrt ist das Ziel. Niemals würden wir uns auf die Autobahn knallen, um von A nach B zu kommen (es sei denn, es ginge wirklich nicht anders). Zum einen, da Dauer-Vollgas für einige unserer doch meist älteren Motorradmodelle einfach den Exodus bedeuten würde. Zum anderen, weil es das ist, was wir beim Motorradfahren lieben: das Gefühl der Freiheit, wenn sich langgeschwungen Kurven durch wunderschöne Landschaften winden und man einfach ein Teil von seiner Umgebung wird. Und wenn es dadurch 100km mehr werden, als auf einer direkten Autobahn-Route: umso besser!
Und so war es natürlich auch bei unserer Mondsee-Fahrt geplant, besprochen und wurde es umgesetzt.
Die Route führte von Miesbach aus nach Bernau am schönen Chiemsee, über Ruhpolding nach Bad Reichenhall und Berchtesgaden. Zu diesem Zeitpunkt mussten wir unter unseren Lederjacken noch ganz schön schwitzen, denn die Sonne war bis kurz vor der Österreichischen Grenze unser ständiger Begleiter. Vor Hallein, nach Grenzüberquerung, gab es “ein paar extra Kilometer”. Nicht schlimm und passiert immer mal wieder, da wir meist nur nach Karte und Schildern fahren und nur im äußersten Notfall zum Navi greifen. Oldschool halt.
Hallein war dann auch die “Wettergrenze” und es fing an leicht zu nieseln. Nichts Dramatisches und keinesfalls hätten wir dort schon zur Regenkombi gegriffen. Noch nicht.
Die Strecke schlängelte sich von dort aus am Almbach entlang Richtung Plainfeld und der Himmel wurde von Minute zu Minute immer dunkler. Bei einem weiteren Blick in den Rückspiegel fehlte mir dann plötzlich das wohlbekannte Licht der 4 hinter mir fahrenden Motorradscheinwerfer. Bei der nächst möglichen Haltebucht fuhr ich rechts ran und zeigte somit den beiden Vorausfahrenden, Olli und Marcus, dass sie warten mussten. Zwischenzeitlich war schon lautes Donnergrollen zu hören und es begann wie aus Eimern zu schütten. Pia, die zunächst bei den fehlenden Mitgliedern geblieben war, holte auf und teilte uns mit, dass Stefan mit seiner Triumph liegen geblieben sei.
Nun war die Überlegung: zurückfahren oder darauf hoffen, dass die Jungs die Maschine wieder zum Laufen bekommen und wir uns zeitnah eine Unterstellmöglichkeit suchen. Ein Blick zum Himmel, der immer wieder von Blitzen erhellt wurde, und es war klar, dass wir dringend einen “Unterschlupf” benötigen und wir dort auf den Rest der Truppe warten würden. Nach ein paar Kilometern tauchte dann linkerhand ein Gasthof auf, den wir zielstrebig ansteuerten. Die Windböen waren zwischenzeitlich so stark geworden, dass es wahnsinnig schwer fiel, die Maschinen, die durchwegs mit recht hoch aufbauenden Tankrucksäcken bestückt waren, in der Spur zu halten. Klatschnass rollten wir auf den Parkplatz und noch bevor wir die Motoren ausgestellt hatten, trafen dort auch unsere Nachzügler ein die uns berichteten, dass kurz vor ihrer Ankunft am Gasthof durch den starken Wind noch ein Baum auf die Gegenspur umgestürzt war.
Nach einem heißen Kaffee und einer knappen Stunde Zwangspause wurde der Wind leichter, das Unwetter zog weiter und lies nur noch den andauernden Regen zurück. Also stiegen wir mit den bereits nassen Klamotten trotzdem in unsere Regenkleidung und wir schafften es bis nach Mondsee. Dort war es mit Stefans Maschine aber endgültig vorbei und die Männer beschlossen, diese bis zum nächsten Tag an einer Tankstelle sicher unterzustellen.
Es wurde bereits dunkel, als wir dann endlich in “Ort am Mondsee” eintrafen. Alfredo erwartete uns schon und nachdem wir die Maschinen abgesattelt und uns aus den nassen Kleidungsstücken geschält hatten, hieß es für uns nur noch: ESSEN FASSEN!
Der Samstag war dann komplett verregnet. Zwischenzeitlich war klar, dass bei Stefans Triumph entweder der Regler oder die Lichtmaschine selbst einen Defekt hat und sich die Batterie somit beim Fahren nicht mehr lädt. Glücklicherweise konnte er in einer nahegelegenen Werkstatt eine zweite Batterie erwerben und die, die in Gebrauch war, für einige Stunden aufladen lassen. So sollte er es samt seiner Maschine (und dem Wechsel der beiden Batterien unterwegs) zumindest wieder zurück nach Deutschland schaffen, wo er sich dann notfalls an den ADAC wenden könnte * (im Ausland werden Motorräder als “Sammelfahrt” erst nach einigen Wochen zurück in die Heimat transportiert).
Wir verbrachten den Tag mit entschleunigendem Nichtstun, einfach mal faul sein und dem hervorragenden, italienischen Essen, das Alfredos Vater für uns und die anderen Gäste im Ristorante La Bruschetta zauberte. Gegen 20 Uhr klarte es dann kurzzeitig auf und wir konnten uns am Mondsee-Ufer doch noch ein wenig die Füße vertreten. Der Abend endete nach einem gemütlichen Zusammensitzen nicht allzu spät, da in wenigen Stunden ja schon wieder die rund 400km Heimweg vor uns lagen.
Nach dem Frühstück hieß es am Sonntag dann wieder: Aufsatteln! Manch vollgesogene Sitzbank hinterließ zwar noch ihre Spuren, aber wir konnten bei Sonnenschein die Heimfahrt antreten. Wir hielten uns —mit dem ein oder anderen kleinen Verfahrer— wieder an die selbe Route, die wir auch bei der Anreise genommen hatten und in Miesbach verabschiedeten wir uns von Stefan, der wieder die Strecke Richtung München nahm.
Also dort noch einmal volltanken, damit wir die restlichen rund 100 km ohne weiteren Tankstop zurücklegen könnten. Doch dann vergriff sich mein Mann im Zapfhahn und es passierte, was ihm bis dato noch nie passiert war: es flossen ca. 5 Liter Diesel in den Tank seiner BMW – dabei hätte er gar nicht tanken müssen, sondern wäre nach dem letzten Auffüllen ganz easy noch nach hause gekommen. Also hieß es: Sprit ablassen, was uns eine verlängerte Zigarettenpause einbrachte. Auf Höhe Bad Tölz bemerkte er dann, dass sie den linken Benzinhahn bei der Ablass-Aktion beschädigt hatten und Benzin ausfloss. So wurde dieser kurzerhand “blind” gemacht und die Fahrt konnte weitergehen.
In Schongau blieben Pia und Marcus auf der B17 Richtung Augsburg, während Claus, Phips, Olli und ich die Abfahrt nach Kaufbeuren nahmen, wo wir schließlich —ohne weitere Vorkommnisse— gegen 20 Uhr landeten.
Diese Touren sind es. Das sind die Erinnerungen, die ewig bleiben. Vergessen ist der Regen. Vergessen sind die Zwangspausen, aus denen man halt das Beste macht. Das ist, was “Motorradfahren” für mich bedeutet. Abenteuer. Überraschungen. Ungeplantes. Spaß.
Mit guten Freunden unterwegs zu sein und sich frei fühlen. Das Motto ist: WE WANT TO BREAK FREE. Und wir leben und lieben unsere Freiheit, Motorrad zu fahren. So oft wir können, egal wohin.
It’s now or never. Just ride your bike.
HIER findet ihr weitere Bilder zu dieser Fahrt und unseren bisherigen Touren.
(* Stefans Batterie musste tatsächlich kurz vor Bayrischzell gewechselt werden. So kam er noch die Strecke bis 15km vor seinem Zielort. Der von ihm gerufene ADAC führte eine Schnellladung durch und er schaffte die restliche Fahrt bis nach hause.)
Tanja “Babetta Rockeretta” Bobell | Lipstick & Gasoline / The ROCKERETTES | 17. Juli 2020